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Ort: Janusz-Korczak-Bibliothek, Berliner Straße 120-121, 13187 Berlin
Eine literarische Spurensuche im Herzen Ost-Berlins
Das von Hermann Henselmann als Wohn- und Kinderkaufhaus konzipierte Haus des Kindes befand sich am Eingang zur damaligen Stalinallee. Das dortige Leben ist der Ausgangs- und Kristallisationspunkt eines episodenhaft erzählten Romans, der vor dem 17. Juni 1953 beginnt und 1965 endet.
Als die kommunistischen Eltern der Erzählerin nach Kriegsende aus der englischen Emigration nach Deutschland zurückkehren, ziehen sie schon bald mit ihren Kindern in das beeindruckende Gebäude am heutigen Strausberger Platz. Durch die Augen des Mädchens begegnen wir ihren Nachbarn Hermann und Irene Henselmann, Robert und Karin Havemann, den Schriftstellern Alex Wedding, F. C. Weiskopf und Bodo Uhse. Sie alle verbindet der Glaube an ein anderes Deutschland. Doch auch Gleichaltrige lernt das Mädchen kennen. Etwa den Nachbarsjungen, dessen Eltern nach dem Krieg in die Sowjetunion verschleppt wurden und dessen Mutter später in den Westen flüchten wird. Oder ihre Schulfreundin Gilda, die in einem alten Mietshaus hinter der Stalinallee wie in einem anderen Kosmos aufwächst, und die verwaiste Zsuzsa, die nach dem Volksaufstand 1956 aus Ungarn nach Berlin verpflanzt wurde und zu Besuch ins Haus des Kindes kommt.
Nach wenigen Jahren fallen die ersten Kacheln von der Fassade auf die Straße, und auch zwischen den Bewohern zeigen sich deutliche Risse. Die Protagonistin erlebt den Widerspruch zwischen ihrer privilegierten Situation und der Außenwelt, zwischen der Stalinallee und ihren Seitenstraßen, deren Lebenswirklichkeit zu den Erwachsenen in ihrer Umgebung oft nur schwer vorzudringen scheint. Zu sehr wird deren Gegenwart von ihrer eigenen Verfolgungsgeschichte und einer idealisierten Zukunftsvorstellung voller Täuschung und Selbsttäuschung bestimmt.
Die Erzählerin muss sich – so als lebte sie in einer Scheinwelt – der Realität immer wieder aufs Neue versichern: Was ist wirklich, was eingebildet, und warum muss ständig etwas verschwiegen werden?
Helga Kurzchalia hat mit »Haus des Kindes« eine literarische Spurensuche geschaffen, die dokumentarische Genauigkeit mit erzählerischer Originalität verbindet.
Nov
08
BUCHLOKAL / Berlin / 13187 Berlin / Berlin
20:00 Uhr
Der Autor und Künstler:
Matthias Mücke, geboren 1965 in Ostberlin, ist ausgebildeter Maler und Restaurator sowie freischaffender Künstler. Er arbeitet als freier Szenenbildner und Filmarchitekt für Film und Fernsehen. 2000 gründete er die Edition Mueckenschwarm mit originalgrafischen Büchern. 2009 wurde er von der Stiftung Buchkunst ausgezeichnet, 2013 erhielt er den Brandenburgischen Kunstpreis und 2015 den Nordhäuser Grafikpreis.
Zum Vorgänger-Buch »Fernweh im Paradies«: »Es ist ein großes Abenteuer, in dieser Geschichte mit ihren wundervollen Illustrationen durch das Erwachsenwerden seines Helden und den Prenzlauer Berg der 80er Jahre zu spazieren und manchmal auch zu stolpern. Melancholisch und doch nie sentimental.« Marion Brasch
Das Buch:
Scherbenland
Patchwork in Scherben
Matthias Mücke schreibt mit großer Wärme von einer Patchworkfamilie in der Nachwendezeit in Berlin mit ihren verrückten Gestalten und Menschen, die verzweifelt ihren Alltag organisieren, die lieben und hassen, sich verlassen und nicht voneinander loskommen. Eine spannende, tragische, aber in keinster Weise hoffnungslose Geschichte von modernem Familienleben.
Dies ist die Geschichte von Beziehungen, die zu Bruch gehen, in Scherben fallen.
Da ist Sabine, die Schauspielerin, die mit Franz zusammenlebt, aber immer mehr nur als Wohngemeinschaft, denn sie, die große Verführerin, schleppt andauernd andere Typen in die gemeinsame Wohnung. Franz muss aber weiter für die Kinder da sein, er ist ihre Familie und muss deshalb bei Sabine bleiben.
Doch dann lernt Franz Maria kennen, seine große Liebe. Er zieht mit ihr hinaus aufs Land in Brandenburg und baut einen verfallenen Bauernhof wieder auf, als ihr neues Zuhause. Und sie haben bald ein gemeinsames Kind, den »Zwerg«. Vor dem Familiengericht erreicht Franz auch, dass seine Zwillinge ihn besuchen können, die bald schon »Zwergi« adoptieren. Nur Malte, der Ältere von Sabines Kindern, will nichts vom Vater wissen, weil er sie doch verlassen hat. Auch von der Mutter zieht sich Malte mehr und mehr zurück und lebt fast nur noch in der Berliner Grafittiszene.
Maria, die Cutterin beim Film ist, stellt mit Entsetzen fest, dass in dem Film, den sie mit einem jungen Regisseur macht, ausgerechnet Sabine die Hauptrolle spielt. Aber sie kann nicht aus dem Projekt heraus, denn sie ist in den Filmemacher verliebt. Am Morgen nach der Nacht, die sie bei ihm verbringt und in der Franz nicht schläft, machen die Zwillinge mit ihrem Zwergi einen Ausflug zum zugefrorenen nahen Waldsee, der in einer schrecklichen Katastrophe endet … Danach liegt alles in Scherben.
Oder doch nicht alles, denn da sind noch Reste der Patchworkfamilie, die eisern zusammenhalten …